Alles so schön bunt! Buchtipp: Die 70 besten Autos der 70er
Trauern wir den 70ern autotechnisch nach? Ja, das tun wir. Bunt, abwechslungsreich, alles andere als monoton. Schön, dass es jetzt ein neues Buch über die Autos der 70er-Jahre gibt. Heiko Wacker stellt es vor.
Hallo Bullifreunde, hallo Freunde "echter" Autos!
Natürlich sind die Autos heute zuverlässiger. Und sie rosten auch nicht mehr so schnell wie in den 1970er-Jahren. Dafür waren die Kisten damals bei weitem nicht so einheitlich, Parkplätze waren keine anthrazitfarbenen Monokulturen, sondern ein wogendes Meer aus Farben und Formen, garniert mit ein paar Ölflecken auf dem Boden.
Klar, der Käfer war immer noch omnipräsent, es boxerte an allen Ecken, zuweilen etwas behäbiger, dann boxerte es eben im Heck eines Bulli.
Doch parallel herrschte technische Aufbruchstimmung. Zum einen lag das an den äußeren Umständen, die Ölkrise war so ein Thema, aber auch die wachsende Zahl der Toten im Straßenverkehr führte allmählich zum Umdenken. Dass die Gurtpflicht kam, war nur eine Folge hiervon, Details wie Sicherheitslenksäulen, Knautschzonen oder das ABS, freilich erst ganz am Ende der 70er, warfen schon ihre Schatten voraus.
Und auch die Sendung „Der 7. Sinn“ war letztlich aus der Not geboren, stirbt doch Mitte der 1960er-Jahre im Durchschnitt alle halbe Stunde ein Mensch in Deutschland bei einem Verkehrsunfall. An den Start ging das Format mit der schmissigen Titelmelodie am 4. Februar 1966. Und „geschmissen“ wurde auch so manche Karosse, in die Botanik nämlich, als Oldiefan graust es einem beim Anblick dessen, was sich da so um die Laterne wickelt.
Aber so waren sie eben, die 70er, und viele, die heute die Bulli-Szene bereichern, die machten damals ihre ersten eigenen automobilen Erfahrungen. Sei es im Kofferraum des Käfers – also unter der Heckscheibe im kleinen Fach. Sei es beim Anblick noblen Blechs, denn damals war man von einem Auto noch fasziniert, weil es gerne mal vorne oder hinten sehr vielzylindrig blubberte, und beim Autoquartett war man mit Boliden aus Zuffenhausen oder Maranello immer gut im Spiel. Stich!
Auch Walther Wuttke wird wohl sein Auto-Quartett gehabt haben, auch wenn er heute natürlich als renommierter Motor-Journalist mit jahrzehntelanger Erfahrung den Blick auch jenseits technischer Superlative schweifen lässt. Im vorliegenden Buch nun wirft er diesen Blick zurück auf ein ganzes Jahrzehnt, vollmundig tritt sein Buch mit dem Titel „Die 70 besten Autos der 70er“ an, was man zumindest diskussionswürdig finden kann, denn der VW Bulli fehlt. Vermutlich lag das an der Fokussierung auf die Pkw-Welt, auch wenn man einen T2 Silberfisch durchaus als Auto, und nicht als Nutzfahrzeug hätte durchgehen lassen können.
Vollkommen korrekt ist indes sein Untertitel, denn die Menschen fühlten tatsächlich die „neue Freiheit auf vier Rädern“.
Übrigens auch die Hersteller, so technisch mannigfaltig ging man zu Werk. Da kamen Wankelmotoren zum Einsatz – auch wenn außer Mazda niemand auf Dauer am Kreiskolbenmotor festhalten mochte –, da wurde mit wilden Formen gearbeitet. Gänzlich neue Konzepte wie eben der Golf, der eine ganze Fahrzeugkategorie begründete, in die später auch die Konkurrenz wie der Fiat Ritmo eintrudelte, entstanden.
Harte Geländewagen wurden zu kommoden Vehikeln, bereit für den Weg zur Oper, man denke nur an das G-Modell von Mercedes, oder an den Jeep Wagoneer, der zwar den SUV-Boom nicht begründete, aber eben doch andeutete. Und jetzt haben wir von Honda Civic, Renault R5, Saab Turbo, Ford Fiesta, Triumph Stag, Toyota Celica, Audi 80 oder den legendär robusten W 123 von Mercedes-Benz noch gar nicht geredet.
Ja, es geht bunt zu bei Herrn Wuttke, man nimmt das Buch gerne mit in den Lesesessel, die meist als Doppelseite angelegten Porträts lesen sich amüsant, zumal kuriose Anekdoten die nostalgischen Erinnerungen auflockern. Dass man hierbei zuweilen im Text stolpert – aber ja, man kann das Heck des Porsche 911 Carrera RS 2,7 auch als „Pürzel“ mit „P“ beschreiben –, oder die gebotene Kürze der Texte keine ausschweifenden Technikerläuterungen zulassen, das sei nicht verschwiegen.
Doch auch dem Lektorat hätte man ein wenig mehr Muße gewünscht, so mancher Tipp- oder Inhaltsfehler (das letzte Käfer-Cabrio datiert auf eine Produktion im Januar 1980, und nicht auf eine Auslieferung im Februar 1979) hat es ins Buch geschafft.
Auch ist dieses stark westeuropäisch geprägt, außer dem Trabi bereichert kein Fahrzeug aus dem Ostblock die knapp 200 Seiten, vielleicht hätte man ja auch den Wartburg 353 oder einen exotischen Melkus RS 1000 aufnehmen können.
Sehr gut gelungen ist hingegen der Blick aus der Jetztzeit auf die oft frivole, laszive, und manchmal ja doch auch sehr fragwürdige Werbung der 70er, das Frauenbild der Werbeagenturen lag weit jenseits heutiger Standards. Das greift der Autor regelmäßig im Buch, am Ende gar in einem eigenen Kapitel auf.
Am Ende muss man jedoch dem Autor einfach zugestehen, dass er vor allem in Sachen „Fahrzeuge“ eine Auswahl hat treffen müssen, und die lässt es nicht an Nostalgie fehlen, zumal 170 Bilder wie eine Reise in die Vergangenheit sind. Und das ist ja für viele von uns auch eine Reise in die eigene Jugend oder Kindheit. Und die war bunt – zumindest auf den Parkplätzen.
Walther Wuttke: Die 70 besten Autos der 70er. Die neue Freiheit auf vier Rädern! Motorbuchverlag Stuttgart 2024, 191 Seiten, Softcover, 17 x 24 cm, ISBN 978-3-613-04680-1, 29.90 Euro.